Extra-Etüde - Farbfelder

Ein weites grünes Feld nach dem anderen, unterbrochen von 

magisch kräftigem Gelb, das mit betäubendem Duft darum wirbt, in die weichen Wogen einzutauchen und glücklich zu versinken, dann wieder karge vom Wind ausgetrocknete Erde auf Äcker, die an Scarlett O´Hara und „Vom Winde verweht“ denken lassen. Der Wind streift auch Elvira. Die Kälte lässt sie den Reißverschluss noch höher ziehen und erleben, wie angenehm warm und komfortabel sie sich bislang auf dem Weg gefühlt hat. Ihre Sinne sind geweckt beim Gehen durch Wald und Wiese, während ihr Blick über die Landschaft gleitet. 

Diese scheint so flach, dass es Elvira beim Innehalten und Betrachten der Umgebung überrascht, welch Höhenunterschiede vor ihr auftauchen, um so länger sie in die Landschaft starrt. Gleich eines Kunstwerkes im Museum offenbaren sich ihr in der Betrachtung Details des Bildes, das da vor ihr ist. Sind es zu anderen Zeiten Dunstwolken, die nach lauen Nieselregen aus den Wiesen dampfen und die Übergänge romantisieren, so ist die Landschaft bis in die Ferne klar in Farbfelder aufgeteilt. Sie erkennt Baumalleen, die scheinbar zufällig zwischen den großen Farbflächen eine Linie bilden. Hohe Frucht- und Grasstände werden von Wolken partiell beschattet. Niemals zuvor hat sie die Wolkenschatten so ausdrucksvoll und die Landschaft gestaltend wahrgenommen. Mit jedem Wimpernschlag ändern sich die Farbfelder.

Elvira geht weiter und es rollt sich eine neue Szenerie vor ihr aus. Am Saum des Horizonts ist trotz der Ferne die klassische Tannenform erkennbar, viele Spitzen ragen in den Himmel. Die Baumreihe, unterbrochen von Leere einer Zahnlücke gleich, präsentiert freistehende Bäume mit ausdrucksstarker Persönlichkeit durch Wuchs und Biegungen im Baumkörper. Naturgewalt und die Hand des Menschen sind spürbar.

Es scheint die Natur ein großer Künstler, die seine Bilder für die Sehenden darbietet. Das Panorama verschlingend wendet Elvira sich rechtsdrehend mit der Kamera am Auge und bleibt an einem kleinen Häuschen in lottrigem Zustand einer Baracke gleich hängen. Dieses Objekt nun attraktiv in das Bildformat zu bringen ist ihr am weitentfernten Feldrand eine Freude. 

Elvira entdeckt einen sich über die Anhöhe windenden Weg, der von mehr Leben hinter der Graskuppe erzählt, sonst wäre er nicht so präsent. Ihre Neugier ist groß, diesem Weg zu folgen. Der Rundweg lässt es nicht zu. Zu groß die Wahrscheinlichkeit, dass dieses ungewiss vor ihr auftauchenden, aber verführerisch lockenden Ziel hinter der nächsten Kuppe sie neue Entdeckungen machen lässt und sie sich in der Weite der Landschaft verliert. Elvira behält das Korsett der Vernunft an, denn schon allein diese Wanderung ist mehr als sie geglaubt hat, erleben zu können. Entspannt folgt Eva ihren Begleitern, die sie mit kundigem Lesen der Wanderkarte sicher durch diese schöne Gegend führen. Nichts Besseres kann ihr widerfahren, sie selbst, ein Analphabet vor dem Herrn im Kartenlesen, lässt sich von den lieben Menschen lenken und leiten und genießt die großzügige Geste, ohne verantwortliche Beteiligung an diesem Ausflug teilzunehmen. 

 

Genug Schritte getan, in tiefen süßen Schlaf versinkend, ihre farbenfrohen Bilder vor den inneren Augen, verpasst sie das Weiterwandern der Sonne an Ihrer Zimmerdecke. Es ist ein guter Tag, sogar ein sehr guter.

500 Wörter


Ich folge der wunderbaren Schreibeinladung für die Textwochen 22.21/Extra-Etüden:

 Die Wörter im Monat Mai spendeten Nina (Das Bodenlosz-Archiv) und Bernd (Red Skies Over Paradise)

Sie lauteten:

Korsett, rechtsdrehend, dampfen
Baracke, lau, widerfahren.

auf Irgendwas geht immer.

Die Extra-Spielregeln sind: Fünf Begriffe von den sechs in maximal 5oo Wörter zu verpacken, die Textart ist egal.


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Kommentare: 4
  • #1

    Christiane (Donnerstag, 03 Juni 2021 16:58)

    Großes Kino, liebe Doro, und die Fotos dazu erfreuen mein Flachländer-Herz :-)
    Ich bin gern und sofort mit deiner Protagonistin mitgewandert und habe mich gefreut ... auch wenn ich im Regelfall die mit der Karte gewesen wäre ;-)
    Ich hoffe, es geht dir (wieder) gut.
    Nachmittagsgrüße, leider ohne Feiertag bei uns :-D
    Christiane

  • #2

    Doro (Donnerstag, 03 Juni 2021 18:40)

    Liebe Christiane,
    herzlichen Dank für Dein beherztes Mitwandern - und Kartenleserinnen und -Leser sind immer im Vorteil :-)
    Und Danke der Nachfrage - es geht mir gut.
    Liebe Grüße Doro

  • #3

    Werner Kastens (Samstag, 05 Juni 2021 15:00)

    Mit der "Führung" bei unserer Wandergruppe läuft es in jedem Jahr schief und wir verlaufen uns. Am Ende kommen wir aber immer da hin, wo wir eigentlich wollten und haben so ein wiederkehrendes Thema bis zur nächsten Wanderung.

  • #4

    Doro (Samstag, 05 Juni 2021 15:58)

    Hallo Werner,
    vielen Dank fürs Lesen. Du hast Recht, um Glück kommt man immer irgendwo an.
    LG Doro