Kunstgenuss vom Feinsten

Ein Blick hinein, das war das Ziel - es kam einem Sprung ins Abenteuerland gleich. 

Völlig unvorbereitet offenbarte sich mir eine Welt der Sinne. Kunst im SuperMarkt - Meine Sehnerven frohlockten, mein Spieltrieb wurde geweckt, ich begegnete Menschen die mich fragten, ob ich denn schon die Bauern gefunden hätte.  Ich hatte keine Ahnung was gemeint war. Aber ich erzähle von Anfang an. Ich sah die PrinzenrollenWand im Netz und wollte hin. Mehr wusste ich nicht. 

Schon im Eingangsbereich auf der Rolltreppe den Weg hinunter in die Tiefe fiel mir die plakative Gestaltung der Wand "Apples d'oro" (Nata Togliatti) und die Ausstrahlung der in warmweichen Rottönen gestaltete Rolltreppe "In between" (Tornike Abuladze) auf.  Empfangen wurde ich von Vogelgezwitscher "Checkpoint Tal, Traumwächter, Trust Me I und II" (Jaemin Lee) und einer urwaldüppigen Blumenabteilung. Das fühlte sich besonders an.  Obwohl der Supermarkt Neuland für mich war fühlte ich mich gleich angesprochen und aufgehoben von der üblichen Warenpräsentation Obst, Gemüse und Regalanordnungen.

Ich durchschritt also eilig den Supermarkt auf der Suche nach dem Gang mit der PrinzenrollenWand (Thomas Rentmeister). Schnell hatte ich sie gefunden. Erleichterung machte sich breit. Aber dann kam die Frage mit den Bauern und ich mein Jagdtrieb wurde geweckt. Schon an der Rolltreppe hatte mich der Verdacht erschlichen, dass mich hier mehr erwarten könnte. Also nochmal zurück auf A in diesem Fall zur Rolltreppe,  - und nun einen neuen Blick auf alles werfen. Was könnte mir begegnen... - wie aufregend.

Die Marsmelone (Alicja Kwade) - der Acrylkasten hat sie verraten, und auch das die wunderschönen in Heidelbeersaft getränkten Stoffstreifen "I dance to harvest memories) ( Miriam Ferstl)nicht automatisch zur Ausstattung eines Supermarktes gehören, ist mir erst jetzt aufgefallen. Die WarholKartons Brillo Hocker (Andy Warhol) haben mich sehr erfreut und dem Toast  Hawaii (Christoph Knecht) wurde Raum gegeben umrandet von Cola-Produkten. Hier entspringt mein Gedanke an PopArt - Plastischer hätte es nicht sein können, ich musste sofort an Teabag  von Cleas Oldenburg und ähnliche Werke denken.


Mittlerweile hatte ich auch das wunderbare Wochenprospekt erhalten und anhand dessen erschloss sich mir auch die Fülle des lustvollen Angebotes. Obwohl ich orientierungsmäßig eher zweitbegabt bin, half mir der Lageplan, alle Kunstwerke aufzuspüren. Als nächstes erfreute mich unglaublich der Anblick von Sauerteig "Hochkultur" (Peter Langenhahn) zwischen Champagnerflaschen - ordentlich gekühlt, wie es sich gehört. Die Präsentation eines schlichten Sauerteigs gleich dem meinen in meinem heimischen Kühlschrank wertete ihn ungemein auf. Ich finde, Sauerteig sollte einen Ehrenplatz erhalten und ist eine angemessene Zierde zwischen den edlen Getränken und Waren.

Mit Plan wurde ich auch bei den Bauern "Pawn Shop" (Gregor Hildebrandt) fündig, es verlockt sehr, sie selbst irgend wo anders in dem Gewürzregal zu platzieren - aber dafür bin ich nicht mutig genug. Ich nehme die Verteilung fotografisch mit, wie sie eben ist. Die Eier "Isee, (Don't count the chickens)" (Johanna Strobel) zwischen den bunten Eiern und den Eierschachteln eingereiht, schreien ihre Botschaft in die Welt hinaus. Angelockt von den farbigen Rollen "Hoffnung (Kein Versprechen)" (Ester Zahel) möchte man beim Toilettenpapier schwungvoll die Textrollen "Das Universum in einer Klorolle" (Esther Zahel) herunterziehen um noch mehr Text zu lesen. Wer immer dies schon mit einer Toilettenrolle getan hat, weiß um das motivierte Entrollen einer solchen und vermeidet diesen Effekt in einem Supermarkt in dem man schon gefühlt mehr als genug auffällig wird, weil man sich vergnüglich aufhält, betrachtet, sucht, genießt, fotografiert und sich angeregt mit Wildfremden unterhält. 

Die KommunikationsTüten "Ciao" (Daniela Koch, Lara Koch) an zwei Warengängen verschaffen einen fokussierten Blick auf die gegenüberliegende Gangseite, in dem einen Fall auf eine bekannte Ketchupmarke, beim Wechseln des Gangs und der Seite blicke ich unerwartet in ein durchsehendes Auge. Das Lachen dringt über die Regalwand. Ich streife noch mal die PrinzenrollenGangabtrennung die von dieser Seite einen unerwarteten Effekt erlebt. Yves Klein-Bau leuchtet kontrastreich entgegen. Zudem wird bewußt, dass diese Wand lebt und arbeitet. Immer wieder fühlt sich jemand inspiriert, eine Rolle aus dem großen Ganzen von 600 Stück  zu entnehmen oder umzuplatzieren.

Schlag auf Schlag geht es weiter: 2 Regale voll mit Kunstbüchern - ja ich bin dafür. Sie sollen Gegenstand des täglichen Bedarfs werden. Wäre das nicht wunderbar.

 

Ein zartangeleuchtetes Netz  "in flow" (Natalyia Borushchak) schwebt über der Fischtheke und profitiert von hellen und dunklen Effekten,  während mein Blick schon das Bild "Nasenwärmer" (Michael Sailstorfer) erspäht, welches geschickt zwischen 2 SupermarktMitarbeiterPortraits hängt. An der KäseTheke konkurriert die Kuhbedesignte Käseschachtel "La vachi qui rit" von Thomas Bayrle mit einer Installation Hartkäse. Jetzt ist es geschehen. Ich merke, wie mein Blick  Arrangements ausmacht, die so malerisch, installiert oder genial sind, dass ich immer wieder überlegen möchte, ist das Kunst oder ist das normal. Herrlich, wie der Kunstblick überhand nimmt.

Den Kassen zugewendet nehme den Banner "Die Jagd" (Christian Jankowski) wahr ,welches sich auf Entfernung wahrnehmbar wirkungsvoll in den Raum einfügt, an den Kassen selbst lasse ich mich von den "Warentrenner" (Milen Till)  faszinieren und möchte mit diesen Wortspiele spielen.

 

Eines scheint mir entgangen, und so eile ich in die GemüseAbteilung, in der ich nun auch den Bildschirm zwischen roten Paprika, umgeben von farbigen Gemüsesorten entdecke und zur Ruhe kommend das Video "Routine" (Schirin Kretschmann) der fleißigen Insekten ansehe, die auch rote Teile durch das Bild tragen und somit eine Verbindung zu dem Hier und Jetzt schaffen.

Bleibt abschließend zu erwähnen, dass ich ein inspirierendes Gespräch mit der Kuratorin und Künstlerin Nata Togliatti am Weinsteher des "Reserve 17" (Peter Kogler) mit seiner Ameise auf dem Etikett führen durfte, deren Inhalt und Bedeutung sich mir Stück für Stück bei meiner Tour durch den Supermarkt erschloß. Ihr Werk nahm ich Richtung Ausgang noch mal in Ruhe auf der Rolltreppenfahrt hinauf in Augenschein und bin fasziniert von der Präsentation dieser Umverpackungen die so gelungen durch die Vervielfältigung des Motivs und der Verpackung plakativ den gesamten Raum gestalten.  Hier bin ich wieder ganz nah dem Grundgedanken, des Alltäglichen, das der Masse zugänglich gemacht werden möchte. Ein schöner Gedanke.

Ich feiere diese Aktion, diese Ausstellung, die Abenteuer, Erlebniswelt, Überraschungen, Realität und Kunststätte vereint.  Mich streift der  Look von American Art  während ich in einer Parallelwelt, einem Schlaraffenland für Kunstliebhaber wandele.

 

Es muss eine Lust und Freude gewesen sein (und natürlich auch viel viel Arbeit) von Seiten des Supermarkts, der Mitarbeiter und der Künstler. Es hat sich gelohnt. Danke dafür.

 

In Erinnerung bliebt ein Ort der Begegnung, des Alltags mit dem Hauch von Exklusivität , eine tolerante Begegnungsstätte für Mitarbeiter, NORMALE Kunden und Kunstliebhaber.

SUPERmARkT - Frische Lieferung

Kuriert von Nata Togliatti, Künstlerin (München)

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Kommentare: 2
  • #1

    Elke (Montag, 19 April 2021 19:40)

    Wow,
    was für eine tolle Idee ... bestimmt nicht einfach umzusetzen, aber sehr inspirierend.

    So wird Einkaufen wirklich zum Erlebnis -
    und wir nicht ins Museum können, kommt die Kunst einfach in den Supermarkt.
    Hoffentlich gibt es viele Nachahmer ...

    Liebe Grüße
    Elke

  • #2

    Doro (Montag, 19 April 2021 19:51)

    Hallo Elke,
    das hab ich auch sofort gedacht. Das wäre echt mutig und aufregend zugleich!
    Hoffen wir gemeinsam :-)
    LG Doro