Der Waschlappen

Frisch ist es, wenn die eisige Luft durch die geöffnete Tür hereinkommt.

Die kleine Verkäuferin reibt sich die Hände, endlich - der nächste Kunde. Mit einem freundlichen Gruß blickt sie ihm gespannt entgegen. Aufmerksam mustert sie diesen Mann, der zügig seinen Wunsch äußert.

Der Waschlappen ist kaputt! Es muss ein neuer her! Sie muss fast schmunzeln, das hat sie nun nicht erwartet. Nachdem sie geklärt haben, dass es sich bei dem Waschlappen um einen im Fachjargon benannten Waschhandschuh handelt, mustert er die präsentierte Waschhandschuhkollektion. Während er einen nach dem anderen halbherzig über die Hand zieht, das Material zwischen den Fingern reibt, denkt sie nur: „Wie viele Jahre mag dieser Waschlappen im Einsatz gewesen sein?“ Um weiter für sich zu erörtern: „Keine Lust mehr auf einen Waschlappen zu haben, sollte legitim sein! Selbst wenn er noch funktionsfähig ist. Sich einfach belohnen mit einem neuen Waschlappen! Aber vielleicht war es ja sein Lieblingswaschlappen. Und überhaupt, eine aussterbende Sorte, Waschlappen sowie Nutzer.“ Das alles verkneift sie sich, während sie weitere besonders schöne Waschhandschuhexemplare aus dem Regal holt.

„Was würde Ihnen persönlich besonders gefallen?“ Nun ist es geschehen, sie hat diese Frage tatsächlich gestellt, sie merkt es erst, als es aus dem Mann herausplatzt.

Viel lieber hätte er ein neues Bad, neue Fliesen in einer anderen Farbe, am besten eine neue Wohnung in einer völlig neuen Stadt. Die Arbeit macht auch keinen Spaß mehr. Und die Familie? Naja, seit die Kinder da sind haben sie keine Zeit mehr für sich, vielleicht sollte er sich bei der Bettwäsche umsehen für neuen Schwung in der Nacht.

Der Kunde verließ vollbepackt und glücklich das Geschäft.

Die kleine Verkäuferin lächelt, sie ist sich ihrer Verantwortung und Rolle wohl bewusst. Zwar rettet neue Bettwäsche selten ein ganzes Leben, aber es könnte ein Anfang sein.


Ich folge der wunderbaren Schreibeinladung 

auf Irgendwas ist immer.

Die Spielregeln sind: Drei Begriffe in maximal 3oo Wörter zu verpacken, die Textart ist egal.


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Hier treffen sich Zwei, die sich nicht kennen, sich aber aufmachen ein gemeinsames Projekt zu versuchen.

Die Stimmungstafeln sind eine kleine Lockerungsübung mit Motiv, Text und Farbe zu spielen.


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Kommentare: 4
  • #1

    Christiane (Samstag, 26 November 2022 19:02)

    Liebe Doro, was Kleinigkeiten so alles auslösen können, man sollte es nicht glauben! Vom Waschlappen, pardon, Waschhandschuh, zu einem neuen Leben! Ich möchte spontan wissen, was seine Frau zu der neuen Bettwäsche gesagt hat – und hat er denn nun eigentlich einen neuen Waschlappen erstanden, und wenn ja, in welcher Farbe?
    Ich mag deine liebenswürdige Etüde sehr. Vielen Dank! :-D
    Abendgrüße ☁️����

  • #2

    Doro (Sonntag, 27 November 2022 11:31)

    Liebe Christiane, ich freu mich sehr, dass Dich meine Etüde berührt hat. Jaja, die kleinen Dinge, sind sie es nicht, die alles ausmachen. Immerhin sind die Kleinigkeiten im Radius des Machbaren, des Erreichbaren und des Veränderbaren. Gute Frage übrigens bezüglich der Farbe, das hab ich mich auch schon gefragt, ich muss mal die kleine Verkäuferin fragen, lach. :-)
    LG Doro

  • #3

    Werner Kastens (Sonntag, 27 November 2022 16:29)

    Ach, was für ein schönes Ende für den Mann und für die diesjährigen Etüden!

  • #4

    Doro (Sonntag, 27 November 2022 17:19)

    Lieber Werner,
    auch Zwischenhappyends muss es geben. Dank Dir fürs Lesen. Es freut mich sehr.
    LG Doro