Ich beobachte sie gerne, es entspannt mich. Wie auch jetzt
sehe ich ihr nach dem Sonnenbad am Morgen beim Frühsport zu, die Beine werden gestreckt, einem Kran gleich wird der Körper nach oben gehievt. Lange muskulöse Beine sind es, die sich zeigen. Auch im Antrieb scheint sie eher zielstrebig. Sie durchstreift mit Selbstbewusstsein zügig ihre Umgebung, kontrolliert Pflanzen und Wege, eilt hier hin, wetzt dort hin, schaut überall nach dem Rechten, lässt sich von Unebenheiten, die sich ihr in den Weg stellen, nicht aufhalten. Ihr feines Gespür erlaubt ihr den wärmsten Platz zur jeweiligen Zeit aufzusuchen, so dass sich eine logische Konsequenz zwischen dem Sonnenlauf und ihren Sonnenplätzen ergibt.
Zeit für den Brunch. Es ist ein Vergnügen zu erleben, wie selektiv sie sich dem reichhaltigen Angebot zuwendet, die Aromen durch die Nase filtert. Ihre Lieblingsfarbe ist rot. So auch jetzt, großzügig lässt sie Grünes links liegen und stürzt sich auf die Erdbeeren. Gierig genießt sie die saftigen Früchte, es ist ein Fest ihr zuzusehen, wie sehr sie sich daran labt. Gerne möchte ich ihr das kleine bisschen Fruchtfleisch von der Wange wischen.
Sanft gleitet sie ins Wasser, die Temperatur scheint angenehm entspannend, so verträumt sie sich bewegt. Danach ein kleines erholsames Päuschen im Schatten. Selbst eine Fliege auf dem Rücken stört nicht. Der Nachmittag vergeht gemütlich, ist nur noch von ein paar kleinen Ausflügen geprägt. Die Begegnung mit dem Lieblingsmensch, Streicheleinheiten inklusive ist willkommen. Fordernd ist sie, nicht leise flehend, kaum dass sie ihr Gegenüber erblickt. Ihr entkommt man nicht. Eine späte Mahlzeit in grün. Vor Sonnenuntergang begibt sie sich zu ihrer Schlafstätte und zieht sich zurück.
Ich verweile noch einen Moment und lasse den Tag Revue passieren. Die Zeit verging wie im Flug. Da wird behauptet, Schildkröten wären langsam – sind sie aber nicht.
Ich folge der wunderbaren Schreibeinladung für die Textwochen 44/45.22:
Die Wortspende für die Textwochen 44/45 des Jahres 2022 stammt von Natalie mit ihrem Blog Fundevogelnest. Sie lautet:
Schildkröte
großzügig
flehen.
auf Irgendwas ist immer.
Die Spielregeln sind: Drei Begriffe in maximal 3oo Wörter zu verpacken, die Textart ist egal.
Weitere Beiträge
Texte und Bilder sind eine große Faszination für mich. Hier gibt es mehr davon.
Hier treffen sich Zwei, die sich nicht kennen, sich aber aufmachen ein gemeinsames Projekt zu versuchen.
Die Stimmungstafeln sind eine kleine Lockerungsübung mit Motiv, Text und Farbe zu spielen.
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Christiane (Samstag, 12 November 2022 23:25)
Ich kann mir nicht helfen – doch, ich finde Schildkröten langsam. Aber das ist egal, wer längere Beine hat, macht eben größere Schritte und rennt halt schneller. So what? Worin ich dir absolut recht gebe, ist die Zielstrebigkeit. Sie wirken so, als wüssten sie genau, was sie tun, wenn man sich nur mal auf ihr Tempo einlässt. Feine Beobachtung, vielen Dank. Schön, dass du auf den letzten Drücker noch mitgeschrieben hast!
Nachtgrüße ����
Doro (Samstag, 12 November 2022 23:51)
Liebe Christiane, Danke fürs nächtliche Lesen meiner Etüde. Ich bin froh, noch die letzten Etüden des Jahres mitzuschreiben :-) letztes mal war ich leider verhindert, Etüde stand, hatte aber in Frankreich zu geringes Internet um es ins Ziel zu bringen. LG Doro
Werner Kastens (Sonntag, 13 November 2022 11:34)
Eine eilende Schildkröte! Ja, es ist eben alles relativ.
Kain (Sonntag, 13 November 2022 17:21)
Eine feine kleine Geschichte! Gefällt mir!
Doro (Sonntag, 13 November 2022 17:30)
Lieber Werner
Du hast so recht, es ist alles relativ.
Doro (Sonntag, 13 November 2022 17:31)
Lieber Kain,
vielen Dank fürs Lesen und Deinen Kommentar - freut mich sehr! LG Doro