abc-Etüden - Die Welle

Die Sonne blendet. Mit kreisenden Bewegungen massiert Uwe

sich die Stirn und lässt die Augenlieder sinken. Durch die Wimpern erkennt er noch genug von der Umgebung. Das Meer liegt geradeaus vor ihm. Ein weißer Wellensaum nach dem anderen bricht sich und rollt laut schmatzend im Sand aus.

Eine Gestalt durchschreitet seine Szenerie. Der weiße Stoff ihres leichten Gewands flattert geräuschlos und zeigt sanfte Konturen ihrer Figur. Die Haare werden vom Wind in ihr Gesicht gezerrt und sie kämpft spielerisch mit einem Arm dagegen an. Sie wendet sich gegen den Wind und dreht sich weiter, schwingend den Sonnenhut in der Hand. Schon wird sie vom Wind weitergeschoben und verlässt seinen Blickwinkel. Karibikfeeling. Ein süßliches Kokosgeruch streift seine Nase, Erinnerungen werden wach. 

Er spring auf, spürt die feinen Körner zwischen seinen Zehen, den heißen Sand an seinen Sohlen. Er muss hinterher. Die Schöne ist gerade noch im gischtigen Dunst zu erkennen. Die Gestalt und ihre Bewegungen sind in seinem Geist eingebrannt. Strandwanderer überholend graben sich seine Füße in den Sand. Uwe wechselt ins seichte Wasser, um besser vorwärts zu kommen. Sein Herz klopft laut und hastig eilt er voran. Sie könnte es sein. Sie, die er verloren glaubte, kaum eine Strandbreite von ihm entfernt. Uwe muss sich sicher sein. Marie, kein anderer Gedanke füllt ihn aus, als eine Welle ihn erfasst und ihn haltlos in den körnigen Sand drückt, um ihn ins Meer zu ziehen als schon die nächste über ihn hereinbricht.

Mit den Armen schlägt Uwe um sich um wieder hoch zu kommen und verfängt sich in weichen Stoff. Stoff, blitzschnell wird ihm klar, seine Liebste und Ihr Flanellpyjama, noch atemlos aber erleichtert schmiegt er sich an den neben ihm liegenden warmen Körper. Etwas irritiert registriert er den strengen salzigen Geschmack in seinem Mund, bevor die Dunkelheit ihn wieder umschließt.

300Wörter


Ich folge der wunderbaren Schreibeinladung für die Textwochen 14:15.21:

Für die Textwochen 14/15 des Schreibjahres 2021 stammen die Wörter von Ludwig Zeidler, und Irgendwas ist immer. Sie lauten:

Sonnenhut 
haltlos
massieren.

auf Irgendwas geht immer.

Die Spielregeln sind: Drei Begriffe in maximal 3oo Wörter zu verpacken, die Textart ist egal.


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Experimente mit Bildern sind spannend.

Einen Blick in den Himmel kann nie schaden.


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Kommentare: 4
  • #1

    Christiane (Samstag, 17 April 2021 19:42)

    Ist es eigentlich Marie, die neben ihm liegt? Oder ist er im Traum einer alten Liebe nachgelaufen?
    Hach, sehr schön beschrieben, ich kenne solch Sehnsuchtsträume auch, da schreckt man wirklich verwirrt hoch. Und das mit dem Salz ist der Klassiker, der andere in dieser Situation wäre Sand an den Füßen .... ;-)
    Doch, gefällt mir sehr. Und das Foto (das untere, mit Horizont) ist toll und macht Fernweh, denn ich behaupte mal, die Nord-/Ostsee war das nicht ...
    Abendgrüße gen Süden! :-D

  • #2

    Doro (Samstag, 17 April 2021 22:57)

    Hallo Christiane,
    Dankeschön für Deinen anregenden Kommentar - und doch das ist die pure NORDSEE!
    Liebe Grüße in Richtung Norden :-) Doro

  • #3

    Werner Kastens (Sonntag, 18 April 2021 13:40)

    So ein Ende halte ich für einen Tagtraum, wo man in der Sonne liegt, der Wind leicht über einen zieht und man sich Wünschen hingibt, die schon lange in einem schlummern.
    Sehr schön geschrieben.

  • #4

    Doro (Sonntag, 18 April 2021 16:34)

    Dankeschön Werner, für Dein Mitspüren. Liebe Grüße Doro