abc-Etüden - Hilde geht

Hilde begleitet Karl in seine, eigentlich ihre gemeinsame 

eheliche Wohnung. Übereifrig redet Karl von alten Zeiten und wie sehr er sich freut, dass sie ihm eine Chance zu geben scheint. Das er sich wirklich erdreistet, kaum dass sich seine neue Freundin von ihm getrennt hatte, sie einlullen zu wollen. Sie kann kaum fassen, wie überzeugt er von sich selbst ist, ein Strauß Nelken, ein warmer Sekt, und alles soll vergessen sein. Nein, nicht mit ihr. Sie will sehen, wie weit er geht. Das wird ihr zeigen, dass sie im richtigen Leben angekommen ist und kein Bedauern mehr für das Vergangene verspürt. Karls Glas stößt an das ihre, übereifrig schwärmt er von ihrem Glück mit ihm. Hilde stellt das Glas ab, ohne daran getrunken zu haben. Warmer Sekt ist ihr ein Greul.

Noch immer sagt sie kaum einen Ton. Karls Worte umreißen Pläne für die Zukunft, seine Pläne für ihre Zukunft. Hört er sich zu?  Nein, so hat sie sich das nicht vorgestellt. Karl zieht Hilde an sich und flüstert mit feuchten Lippen an ihrem Ohr, sodass sie ihn spontan wegstößt. Frohlockend stöhnt er „Meine kleine Raubkatze“. Angewidert weicht sie zurück, nun schon in der Küche angelangt. 

„Sei doch nicht zickig!“. Worte begleiten seine Tastversuche an ihrem Körper. „Stop!“ Hildes Stimme ist glasklar. Karl rutscht melodramatisch auf die Knie, umschlingt sie an den Oberschenkeln, presst den Kopf in ihren Schoß. Sie tastet nach der Bratpfanne, die auf dem Herd steht, er begreift gerade nicht, welch grandioses Ziel er ihr bietet.

Als Hilde die Wohnung verlässt, lächelt sie glücklich. Sie fühlt sich frei. Und Nelken hasst sie wie die Pest.

Schmollend und beleidigt ob Hildes wortgewaltigen Abfuhr blättert Karl seinen Terminkalender durch. Irgendeine wartet sicher noch auf seinen Anruf, ganz bestimmt. Oder Hilde überlegt es sich doch noch mal.

300Wörter


Ich folge der wunderbaren Schreibeinladung für die Textwochen 16.17.21:

Für die Textwochen 16/17 des Schreibjahres 2021 stammen die Worte von mir. Sie lauten:

Pfanne
glücklich
trennen.

auf Irgendwas geht immer.

Die Spielregeln sind: Drei Begriffe in maximal 3oo Wörter zu verpacken, die Textart ist egal.


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Einen Blick in den Himmel kann nie schaden.


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Kommentare: 5
  • #1

    Christiane (Dienstag, 27 April 2021 21:58)

    Sag mal, was hast du dir denn da für ein Ekelpaket ausgedacht?! ;-) Da wird mir ja schon schlecht, wenn ich mir diesen unsensiblen Großkotz auch nur vorstelle! Und dass sie keine Nelken und keinen warmen Sekt mag, DAS könnte er wirklich wissen, wenn sie schon verheiratet waren. Was für eine Ödnis! Furchtbar!
    Gut, dass du ihn hast überleben lassen, trotzdem ... *kopfschüttelnd ab* ;-)
    Belustigte Abendgrüße
    Christiane :-D

  • #2

    Doro (Dienstag, 27 April 2021 22:15)

    Hallo Christiane,
    er ist mir einfach so passiert, hat sich in mein Schreiben geschlichen, es hat mich auch ordentlich angewiedert, aber es geht ja einerseits gut aus und anderseits unbelehrbar... Seine Strafe kommt noch - bestimmt.

  • #3

    Gerda Kazakou (Mittwoch, 28 April 2021 21:46)

    die Frage bleibt unbeantwortet, wie sich diese Hilde überhaupt mit diesem Ekel hat einlassen können, und was es da zu verarbeiten gab. ;)

  • #4

    Gerhard (Donnerstag, 29 April 2021 14:00)

    Feiner Beitrag.
    Kann Karl seine Hilde so wenig kennen?! Das würde mich regelrecht anwidern...wenn jemand meine Reaktionen so im Einzelnen miesdeutet.
    Dass sie das Ganze unbeschadetz seelisch übersteht, ist schon eigenartig.
    Gerhard
    Kopfundgestalt

  • #5

    Doro (Samstag, 01 Mai 2021 10:22)

    Liebe Gerda, lieber Gerhard,
    das sind die Mysterien einer Beziehung nehme ich an, und es kann gut sein, dass die Beiden sich an irgend einer Stelle auseinander entwickelt haben. Ich denke, sie hat es glücklich überstanden. Man muss manchmal einfach nach vorne blicken. Hilde scheint ihre Chance genutzt zu haben.
    Lg Doro